Der Kreis Schlochau ist ein Gebiet im Lande Pommerellen.
Im Jahre 1294 starb Mestwin, der letzte pommerellische Herzog. Er hatte am 1.4.1269 im Vertrag zu Arnswalde sein Land den askanischen Markgrafen von Brandenburg zu Lehen angetragen. Später, 1282, setzte er Przemyslaw II. - Herzog von Großpolen - durch eine »Übertragung zu Lebzeiten« zu seinem Erben ein. Diese Übertragung wurde von Brandenburg nicht anerkannt.
Seit 1292 begann König Wenzel II. von Böhmen mit der Eroberung polnischer Gebiete. Er war 1294 Herr der Herzogtümer Krakau und Sandomir. Er besaß auch die Lehnsoberhoheit über Kujawien, Masowien und Sieradz. Nur Großpolen widerstand ihm.
Nach dem Tode von Przemyslaw II. übernahm Wladislaw Lokietek von Kujawien und Sieradz die Herrschaft über Großpolen. Er wurde aber von seinen Untertanen vertrieben. Man rief Wenzel II. herbei. Der wurde im Sommer 1300 in Gnesen zum König gekrönt.
Durch die Heirat mit der Tochter von Przemyslaw II. wurde Wenzel II. auch Anwärter auf den Besitz von Pommerellen. Die Verwaltung Pommerellens übertrug er dem einheimischen Geschlecht der »Swenza«.
1306, nach der Ermordung Wenzels III., bemächtigte sich Wladislaw Lokietek wieder Pommerellens. Er geriet in Konflikt mit Peter Swenza, der die Brandenburger ermunterte, ihre Ansprüche auf Pommerellen geltend zu machen.
Als die Brandenburger 1308 die Stadt Danzig besetzen, rief Wladislaw Lokietek den Deutschen Orden zur Hilfe. Der Orden zwang die Brandenburger zum Abzug. Danach vertrieb er auch die Polen aus der Burg.
Im Soldiner Vertrag, 13.9.1309, übernahm der Orden Pommerellen, mit Ausnahme der Bezirke Stolp und Schlawe, gegen 10 000 Mark Silber von den Markgrafen zu Brandenburg. Wladislaw Lokietek war auf eine Geldentschädigung nicht eingegangen. Erst sein Sohn Kasimir der Große entsagte im Vertrag von Kalisch, 23.7.1343, endgültig allen Ansprüchen auf Pommerellen.
Nach der Übernahme Pommerellens begann der Deutsche Orden bestimmte Gebiete besonders zu fördern. Um 1312 kaufte der Orden das Land Schlochau vom Grafen Nikolaus von Ponitz. Man begann mit dem Bau einer Burg. 1332 wurde eine Komturei eingerichtet. 1348 bekam der Burgort Schlochau Kulmer Stadtrecht.
1346 gab der Orden einem Tylo vier Hufen Land »in campo Fredeland«. 1354 wurde Pr. Friedland kulmisches Stadtrecht verliehen.
Zum Schutz seiner Westgrenze baute der Orden »Wildhäuser« in Baldenburg und Hammerstein. Ebenso wurde in Landeck ein sogenanntes Wildhaus vom Orden gebaut. Seit 1775 hat Landeck eine städtische Verwaltung.
Der Kreis Schlochau (1939)
Das Schlochauer Land gehörte vor 700 Jahren zu einer Grafschaft des Herzogtums Pommerellen. Am 4.9.1312 kam es durch Kauf in den Besitz des Deutschen Ritterordens und wurde eine Komturei. Die Stadt Schlochau erhielt als Sitz des Komturs eine Burg und das Stadtprivileg. Pr. Friedland, Hammerstein und Baldenburg wurden gleichfalls zu Städten erhoben und mit Befestigungen versehen; denn wie heute der Kreis so war damals die Komturei ein Grenzgebiet. Daher widmeten die Komture der Besiedlung die höchste Aufmerksamkeit, und die meisten Ortschaften verdanken ihnen ihre Entstehung.
Nach 100 Jahren des Friedens und emsigen Schaffens kehrte in den Bezirk Wohlstand ein. 1408 erfolgten die ersten kriegerischen Handlungen mit Polen. Das Ordensheer wurde am 15.7.1410 bei Tannenherg vernichtet; der Schlochauer Komtur Arnold von Baden fand dort den Heldentod mit fast allen seinen Leuten.
In den darauffolgenden Jahren wurden manche Orte gänzlich vernichtet; im Frieden von Thorn (1466) fiel Westpreußen an Polen.
Unser Kreis wurde eine Starostei unter dem Namen Czluchowo. Nachfolgende Kriege, Seuchen und Brände stürzten die Bewohner ins Elend.
1772 erfolgte die Vereinigung mit Preußen. Der Schlochauer Bezirk, nunmehr als "Kreis" bezeichnet, wurde durch Friedrich d. Großen dem Verkehr - durch Eröffnung der Poststraße Berlin-Königsberg - erschlossen. Die Landwirtschaft hob er durch Meliorationen und Einführung des Kartoffel- und Lupinenanbaus, die Industrie durch Gründung von Tuchwebereien, Teer- und Kalköfen, Kohlenbrennereien und Glashütten. Die meisten dieser Betriebe gingen aber um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Einige Ziegeleien, Mahl- und Schneidemühlen sowie ein paar Brennereien und eine Brauerei, das war alles, was der Kreis an industriellen Anlagen besaß. Die ganze Bevölkerung war auf Landwirtschaft eingestellt. Doch die Erträge waren zunächst nur mittelmäßig.
Die von Friedrich d. Großen eingeführte Kreiseinteilung erwies sich als höchst unpraktisch.
Friedrich Wilhelm III. genehmigte 1806 den Plan zu einer neuen Kreiseinteilung, die jedoch wegen des Krieges erst 1815 zur Ausführung kam. Dabei wurde Schlochau dem Kreis Konitz zugewiesen. Auch Tuchel und Schwetz gehörten diesem Kreis an, der fast den 4. Teil der gesamten Provinz Westpreußen umfaßte.
Daher fand 1818 eine neue Teilung statt, aus der am 1.4. Schlochau als selbständiger Kreis hervorging, fast ganz auf den Grenzen der Starostei ausschließlich Konitz. Das alte Schlochau erhielt den Rang einer Kreisstadt.
In landschaftlicher Beziehung hat der Kreis Schlochau einiges zu bieten. Besonders schön ist die Gegend zwischen Elesenau, Förstenau und Rittersberg. Dort sind die höchsten Erhebungen (210-223 m) sowie die meisten Findlinge, dazu Faust- und Kopfsteine in unendlicher Zahl und ein wunderbares Ineinandergreifen von Berg und Busch, Wald und Wiese, Stein und Strauch zu finden. Bei jedem Schritt verändert sich das Bild. Bald blickt man über tiefe Schluchten hinab, bald steile Anhöhen hinauf, bald weit hinein ins Land über ausgedehnte Kiefernforsten. Wo der Boden lehmhaltig ist, gedeihen auch Buchen, Eichen und an einer Stelle auch Eiben.
Unter den Seen sind der Ziethener-, Kramsker- und Lepzinsee sowie der Amts- und Bölzigsee die größten. Die drei ersten gehören zum Weichsel-, die beiden letzteren zum Odergebiet. Das etwa 15 km lange Becken des Ziethener- und Kramsker Sees bildet die zweittiefste Senke des Kreises, nämlich 126 m über dem Meer.
Die nördlich einmündende Brahe schlägt darin einen Haken, indem sie auf ungefähr halber Seelänge in scharfer Wendung gegen Nordosten austritt und dem Müskendorfer See zueilt.
Die anderen Flüsse: Dobrinka, Haaken, Zier und Zahne fließen nach der südwestlichen Ecke des Kreises in die Küddow. Dort liegt Landeck, das die tiefste Stelle des Kreises (120 m) einnimmt.
Eisenbahnstränge, zahlreiche Chausseen und mit Bäumen bepflanzte Landstraßen, ferner elektrische Leitungen verbinden die menschlichen Siedlungen miteinander.
Die Folgen des 1 .Weltkrieges sind dem Schlochauer Kreis sehr verhängnisvoll geworden. Zuerst flüchteten Tausende aus dem besetzten Gebiet in den Kreis herüber und verursachten eine schreckliche Wohnungsnot. Viele mussten wochen-, ja monatelang in Eisenbahnwagen, Scheunen und Speichern hausen. Die Truppenlager in Hammerstein füllten sich und die Kreisverwaltung ließ an verschiedenen Orten Siedlungshäuser bauen. Dann verkündete am 10.9.1921 ein Sonderblatt die Übergabe der neuen Grenze an die Int. Kommission. Der Kreis verlor 1/5 seines Bestandes (nordöstl. Teil) mit 19 Dörfern und 3 Gutsbezirken. Zwei wichtige Eisenbahnlinien, 4 Landstraßen und 57 Wege wurden von der Grenze durchschnitten. 55 landwirtschaftliche Betriebe wurden unmittelbar von der Grenzziehung betroffen, indem ein Teil ihres Besitzes abgetrennt wurde.
Die Enklaven Kl. Jenznick, Mankau und Platendienst (früher Krs. Konitz) kamen dagegen zum Schlochauer Kreis.
Der Kreis Schlochau wurde der nördlichste der neuen Provinz Grenzmark-Posen-Westpreußen.
Durch die Gesetze vom 21.3.1938 und 2.9.1938 zur Gebietsbereinigung in den östlichen preußischen Provinzen wurde die Grenzmark aufgelöst; der Kreis Schlochau kam zur Provinz Pommern.
Der Kreis umfaßte 1939 168.648 ha und hatte eine Wohnbevölkerung von rd. 56.000 Einwohnern, die sich auf 5 Städte, 71 Landgemeinden und 2 Gutsbezirke verteilte.
Von A. Blanke: "Aus den vergangenen Tagen des Kreises Schlochau".
Quelle: Das Schlochauer Land: Erinnerungen in Bildern; mit 863 Abbildungen, Karten und Schaubildern; Erarbeitet und zusammengestellt von Johannes Gurtzig und Helmut Becker; Herausgeber: Johannes Gurtzig, Heimatkreisausschuss Schlochau; Verlag George, 2. unveränd. Aufl. 1992, S. 12f
Die Kulturgeschichte des Schlochauer Landes bis 1945
Mit dem Thema "Kulturgeschichte des Schlochauer Landes bis 1945" möchte ich in einer Kurzdarstellung die geistige und gesellschaftliche Entwicklung der im ländlichen Raum des ehemaligen Schlochauer Landes lebenden Menschen beleuchten.
Die ostniederdeutsche Mundart im Schlochauer Land ist von besonderer Eigenart. Die wesentlichen Merkmale sind die Erweichung der Laute g und k sowie einige Brechungen von Selbstlauten. Dazu ein Beispiel:
Hochdeutsch: |
Englisch: |
Schlochauisch: |
Sonst Plattdeutsch: |
Kirche |
Church |
Tschirsch |
Kerk oder Kark |
Der Kreis Schlochau hatte 1925 eine Wohnbevölkerung von rund 57.184 gegenüber 55.169 Personen am 17.5.1939, hiervon gehörten 60,9 % der evangelischen Landeskirche, 37,8 % der römisch-katholischen Kirche an. 1,3 % waren Juden und Bekenntnislose.
Die Berufszugehörigkeit der Wirtschaftsabteilung stellt sich wie folgt dar:
Land- u. Forstwirtschaft bei 4.815 Betrieben über 0,5 ha: 27.840 Beschäftigte
Industrie und Handel: 11.363 Beschäftigte
Handel und Verkehr: 4.207 Beschäftigte
Die zum Teil aus Fachwerk gebauten Kirchen erlebten ab 1209 eine wechselvolle Geschichte - Abriss, Verbrennung und Wiederaufbau. Sie waren aber stets der Mittelpunkt des religiösen Lebens in der medienarmen Zeit, im besonderen an Sonn- und Feiertagen und privaten Ereignissen.
Die Schulen und deren Lehrkräfte spielten im kulturellen Leben des Heimatkreises eine recht gewichtige Rolle, ja in vielen Dörfern waren sie gewissermaßen der kulturelle Mttelpunkt des Ortes. Turnen, Sport und Schwimmen hatten in den Schulen eine gute Pflegestätte. In Fortbildungslehrgängen an der Hochschule für Leibesübungen in Spandau wurden die Lehrer geschult. Alljährlich veranstalteten die Schulen im Sommer Schulfeste, die wahre Volksfest waren. In den Wintermonaten fanden Heimatabende statt, in deren Mittelpunkt abwechselnd das deutsche Märchen, das Volkslied, Heimatbräuche o.ä. Themen standen. Auch die schulentlassene Jugend blieb weiterhin mit der Schule in Verbindung. Fast jedes Dorf hatte eine ländliche Berufsschule – sowohl für Jungen und Mädchen – und in vielen Gemeinden hatten die Mädchen eine Lehrküche. Der Volkstanz erfreute sich besonderer Pflege.
Der Heimatkreis hatte 97 Volksschulen, die zwei Schulaufsichtskreisen unterstellt waren. Dem Aufsichtsbezirk Schlochau unterstanden 62 Schulen und dem Aufsichtsbezirk Preußisch Friedland 35, wozu noch 13 Schulen des Nachbarkreises Flatow gehörten. Die 97 Volksschulen umfassten 327 Klassenräume und wurden im Jahre 1928 von 4.210 Jungen und 4.958 Mädchen besucht. Im Jahre 1928 unterrichteten an den Volksschulen des Kreises 194 Lehrer und 11 Lehrerinnen.
Die Schulstadt Preußisch Friedland darf wohl mit Recht eine bunte Stadt genannt werden. Weit und breit gab es keinen Ort, in dem eine solche Vielfalt von Farben auf den Häuptern der Lernbegierigen in den Straßen wimmelte. Aus weitem Umland, ja sogar aus Ostpreußen und Berlin, rekrutierten sich die Schüler und Besucher des Gymnasiums, der Höheren Töchterschule, der Präparandie und des Evangelischen Lehrerseminars.
Wenn die Bevölkerung Preußisch Friedlands bis dahin fast rein aus Ackerbürgern, Handwerkern und Geschäftsleuten bestand, so trat durch die Gründung der Schulen ein auffallender Wandel ein. Der Zuwachs an auswärtigen Lehrern wie Schülern forderte Unterbringungsmöglichkeiten. Die Bautätigkeit belebte sich und es bildeten sich neue Erwerbszweige heraus - Gasthäuser und Pensionen. Auch entwickelte sich in Schlochau ab 1839 bis 1900 eine höhere Privatschule für Mädchen, diese hatte aber stets um ihr Dasein zu kämpfen.
Durch die Abtrennung des Korridorgebietes (1920) ergab sich die Notwendigkeit, das höhere Schulwesen des Kreises zu reformieren. Das Konitzer Gymnasium – seit seiner Gründung (1623) kultureller Mittelpunkt unserer ostdeutschen Heimat – lag jenseits der neuen Reichsgrenze. Somit stand im weiten Umkreis nur eine einzige höhere Schule – das 1872 gegründete Preußisch Friedländer Gymnasium – zur Fortbildung der Jugend zur Verfügung.
Ein Kuratorium mit dem Bürgermeister an der Spitze übertrug 1921 dem Assessor Reuter die Aufgabe, auf der Grundlage der vorhandenen Privatschulen eine Realschule einzurichten. Diese siedelte 1922 aus der höheren Mädchenschule (der späteren Landwirtschaftsschule) in die umgebaute Präparandenanstalt (später Jugendherberge und Kreisberufsschule) über. Ein Jahr später erkannte die Regierung die Neugründung als städtische Mittelschule an (bis 1924 liefen Knaben- und Mädchenklassen nebeneinander her, später wurden sie zu gemischten Klassen vereinigt). Im folgenden Jahr fand die erste Abschlussprüfung zur Erlangung der Mittleren Reife statt. Doch man ruhte nicht aus.
1929 wird unter der Bedingung, dass die Stadt ein neues Schulgebäude zur Verfügung stellt, die städtische Realschule zur Oberrealschule i. E. erhoben und 1932 unter dem Vorsitz von Oberschulrat Dr. Schnaper (Schneidemühl) das erste Abitur abgenommen, und kurz darauf erfolgte die Anerkennung als Oberrealschule.
Aufgrund der schulischen Voraussetzungen im ersten Drittel dieses Jahrhunderts in Schlochau und Preußisch Friedland konnte so manch größere Stadt das Schlochauer Land um das kulturelle Leben beneiden. Es wurde von zwei starken Persönlichkeiten geprägt: dem damaligen Landrat des Kreises Schlochau, Herrn von Mach, und Herrn Alfons Jedrzejewski als bedeutender Pianist und Klavierlehrer, Dichter, Schriftsteller, Initiator von gelungenen Laientheaterabenden, Wohltätigkeitskonzerten für den Vaterländischen Frauenverein.
Den besonderen Rahmen für Künstlerkonzerte ermöglichte Landrat von Mach dadurch, dass er den Kreissaal und seinen Konzertflügel zur Verfügung stellte, und als großer Kenner und Musikliebhaber vielseitige Verbindungen zu international bekannten Pianisten, Geigern und Sängern hatte, die er nicht selten veranlassen konnte, zwischen Tourneen von Paris – Berlin auf der Durchreise nach Königsberg und Petersburg die Fahrt zu unterbrechen, um in Schlochau ein Konzert zu geben. An so einem besonderen Künstlerkonzert nahm nicht nur Schlochau als Stadt, sondern alle Musikliebhaber aus dem ganzen Kreis teil. Sie strömten mit ihren Kutschen bzw. Schlitten aus allen vier Himmelsrichtungen herbei.
Aus dem Schlochauer Land kam auch der Maler Erwin Hollstein, geb. 4.10.1892 in Schlochau, Westpreußen. Aufgrund seiner Begabung wählte er sich entsprechend ein Studium an der Hochschule für bildende Künste in Berlin-Charlottenburg und vervollkommnete es durch häufige Studienreisen. Unter verschiedenen Ausstellungen sind erwähnenswert Dessau, München, Berlin, Wien und Danzig. Verwurzelt war Erwin Hollstein in der Landschaft des Ostens.
Das Vereinsleben - ein weites Feld gesellschaftlichen Lebens
1876 wurde der erste Männerturnverein gegründet. Es wurde die Sparte Turnen angeboten. Es hat sich langsam entwickelt. Lag es an fehlenden Übungsstätten und Geräten? Erst ab September 1919 bekamen die Schlochauer richtig Geschmack. Ein zweiter Sportverein, der SCS - Sportclub Schlochau - wurde gegründet mit neuer Sparte der Leichtathletik. In Preußisch Friedland gab es den Gymnasialsportverein "Mars."
Die Jugendarbeit in den Vereinen zeigte gute Früchte. Aus dem Schlochauer Land nahmen Mitglieder der Vereine erfolgreich an den Kreisturnfesten, weiteren Kreis- und Bezirksmeisterschaften teil. Ja, der Besuch der deutschen Turnfeste 1923 in München, 1928 in Köln, 1933 in Stuttgart, 1938 in Breslau zählten mit zu den Höhepunkten der Vereinsarbeit.
Inzwischen hatten die Vereine in ihre Sportprogramme auch Fußball, Faustball, Handball, Schlagball und Faltbootfahren aufgenommen, neben ihren Standards - Schwimmen und Leichtathletik.
Männergesang-, Schützenvereine und Plattdeutsche Gruppen wurden für nicht Sportbegeisterte gegründet. Eine Tanzschule wurde von der Tochter des berühmten Pianisten und Klavierlehrers Jedrzejewski in Schlochau geführt.
Eine weitere Besonderheit des gesellschaftlichen Lebens war der alljährlich stattfindende Karneval, der seit dem 19. Jahrhundert in Preußisch Friedland, als einziger Stadt Ostdeutschlands, eine Heimstatt gefunden hatte. In der Themenstellung oder dem Motto der Veranstaltung wurde wiederholt die Eisenbahn auf's Korn genommen, denn sie fuhr ja (einige Kilometer in Linde vorbei).
Zum Osterbrauchtum gehörten
Das Stiepen: Die alten heimatlichen Osterbräuche waren keineswegs so ausgestorben, wie es vielfach hingestellt wird. Die Zahl der Familien, in denen schon geraume Zeit vor Ostern frischgeschnittene Birkenreise im Wasser standen, damit diese zum Fest in vollem Grün prangten, war gar nicht selten. Die männliche Jugend - und zu dieser zählte man sich bis zu 45 Jahren und drüber - benutzte diese dann am Ostermorgen zum "Stiepen." Dieses Stiepen - ursprünglich wie Osterhase und Osterei ein Symbol der Fruchtbarkeit und des Glücks - bestand darin, dass Frauen und Mädchen am Ostermontag möglichst vor dem Aufstehen mit den grünen Birkenzweigen auf mehr oder weniger behutsame Weise - na eben "gestiept" wurden. Dies halb schreckhafte, halb lustige Gekreische, das dann anhub, dies Herumgejage der Evastöchter im Nachtgewand muss man mal miterlebt haben, um mitreden zu können. Dieser Brauch wurde hauptsächlich in den Dörfern, weniger in den Städten gepflegt. Es musste sich mit Ostereiern freigekauft werden.
Osterwasser: Alte Leute behaupten, vom Osterwasser waschen werde man hübsch, besonders die jungen Mädchen. Dieses musste Ostermorgen vor dem Sonnenaufgang geschehen. Ein Eimer mit Quellwasser - es musste aus der Quelle, die von Westen nach Osten fließt - es durfte kein Wort gesprochen werden und man durfte sich nicht umsehen - geschöpft werden. Zu Hause hatte man sich mit dem Wasser zumindest das Gesicht vor dem Sonnenaufgang zu waschen.
Als Abschluss eine Heimatsage:
Die versunkenen Glocken im Schlochauer See
Vor Zeiten befand sich auf dem mächtigen Schlochauer Burgturm noch ein spitz zulaufendes Dach. in diesem hingen, wie alte Leute zu erzählen wussten, drei Glocken, die eine von Kupfer, die zweite von Silber und die dritte und größte von Gold. Ein Blitzschlag schleuderte die ganze Turmspitze mitsamt den Glocken in den unten liegenden See.
In stillen schönen Sommernächten sah man zuweilen den Glanz der kostbaren Stücke im See, hörte wohl auch die Glocken leise aus der Tiefe herauf klingen. Nur ein Jüngling konnte den ungeheuren Schatz aus gefährlichem Grunde heben, der ein Sonntagskind war und noch nie geliebt hatte.
Ein junger, frischer Bursche unternahm die Wagnis. Lau war die Maiennacht, klar und verheißend leuchtete der Mond vom tiefblauen Himmel und warf, über dem alten Gemäuer stehend, seinen Widerschein in den See. Da sprang der Jüngling ins Wasser und schwamm auf die Stelle zu, wo er ein leises Läuten vernahm. Und richtig, gerade da, wo sich die Zinnen des Turmes zitternd in der Flut spiegelten, da sah er in der Tiefe die drei Glocken, eine schöner als die andere. Er tauchte, und die kleinste Glocke, die kupferne, kam ihm entgegen, so dass er sie bereits fassen konnte. – Doch wie die Menschen sind! Er griff nicht danach, sondern tauchte nach der größten, der goldenen, die sich auch schon aus dem Grunde gelöst hatte und ein Stück heraufgekommen war. Da aber tönte diese ihm dumpf entgegen:
„Wer das Kleine nicht ehrt, -
ist das Große nicht wert!“
Und leise verklingend versanken alle drei in der Tiefe. Seitdem hat man nie wieder etwas von den Glocken gehört oder gesehen.
Quelle:
Der Heimatkreisausschuss Schlochau, den 9. September 2006
Vortrag von Werner Panknin, 1. Vorsitzender des HKA Schlochau,
anlässlich des 95. Jahrestages des Museumswesens in Czluchow
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